Ökostrom-Novelle: Vollbremsung statt Beschleunigung?

IG Windkraft kritisiert Begutachtungsentwurf

Wien, 5.4.2011: Auf deutliche Verbesserungen in entscheidenden Punkten des Begutachtungsentwurfs einer Ökostromnovelle drängt die IG Windkraft. Was vom Minister als Verbesserung gelobt wird, ist aus Sicht der Ökostromerzeuger eine deutliche Verschlechterung. Sowohl für bereits fertig bewilligte Projekte als auch für neue Projekte sind Abschläge und neue Barrieren geplant. Wenn auch theoretisch etwas mehr Geld bereit gestellt werden soll, ist fraglich, ob dieses jemals abgeholt werden kann, da es zur Einführung weiterer Hürden bei der Beantragung von Fördermitteln kommt. Bereits die Novelle 2006 führte dazu, dass aufgrund schlechter Konditionen die Fördermittel nicht abgeholt wurden. Symptomatisch ist, dass im Gesetz keine neuen Ziele für Ökostrom enthalten sind, sondern die bereits 2008 im Nationalrat beschlossenen Ziele einfach übernommen werden.

Nicht mehr Ökostrom als bereits 2008 geplant

„Der Kardinalfehler des Entwurfs liegt darin, dass die Stop-and-go-Politik der vergangenen 15 Jahre fortgesetzt wird. Es kommt sogar noch zu Verschlechterungen bei der Planbarkeit, das Fördersytem gleicht einem Roulettespiel. Dabei gäbe es zahlreiche Beispiele in Europa, die zeigen, worauf es bei der Konstruktion von Fördersystemen für Ökoenergien ankommt“, diagnostiziert Mag. Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft. „Absolut unverständlich ist für mich angesichts des Anspruchs der Politik, aufgrund der Ereignisse in Fukushima die erneuerbaren Energien zu forcieren, warum der Entwurf keine neuen Ökostrom-Ziele vorschlägt, sondern nur die bereits 2008 im Nationalrat beschlossenen Ziele übernimmt. Wir brauchen dringend ambitionierte Ziele bis 2020 und nicht altbackene Maximalziele bis 2015.“

Windkraftausbau verursacht nur geringe Förderkosten

Unverständlich ist dieser Begutachtungsentwurf besonders, da die Kosten für den Windkraftausbau überschaubar sind: 2010 betrugen die Förderkosten für die Windkraft für einen durchschnittlichen Haushalt 4,3 Euro im gesamten Jahr. Bei einem weiteren Ausbau der Windkraft, um plus 1500 MW Leistung wie im Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energie vorgesehen, werden sich die Förderkosten bis 2020 je nach Entwicklung des Marktpreises für Strom zwischen 4 und gut 6 Euro jährlich pro Haushalt bewegen.

Neues System der Fördervergabe wird zum Roulette

Wenn auch theoretisch mehr Geld bereit gestellt werden soll, hilft dies nichts, wenn neue Barrieren eingeführt werden, die es unwahrscheinlich machen, dass die Mittel jemals abgeholt werden können. Vorgesehen ist eine Vergabe von Abnahmeverträgen in zwei Jahrestranchen, wobei es einen Automatismus gibt, wonach unterjährig ein Tarifabschlag von 5 und dann 10 Prozent zur Anwendung kommt. Diese Vorgehensweise führt dazu, dass anstatt von Kontinuität und Planbarkeit vielmehr Unsicherheiten und Chaos erzeugt werden. Eine Antragstellung gleicht dem Roulettespiel. Bis zuletzt, nach bereits langer und kostspieliger Projektvorbereitungsphase, bleibt unklar, zu welchem Tarif eine Ökostromanlage unter Vertrag genommen wird. Ein Abschlag kann für Projekt das Aus kurz vor dem Ziel bedeuten. Es droht eine ähnliche Situation wie nach der Novelle 2006, als trotz voller Fördertöpfe keine Projekte realisierbar waren. „Wir werden deutlich weniger Windkraftleistung jährlich bauen können als im geltenden Gesetz. Das Ziel des Nationalen Aktionsplans für erneuerbare Energie (plus 940 MW Windkraft bis 2015) kann so sicher nicht erreicht werden“, befürchtet Moidl.

Der Entwurf entfernt sich damit weiter vom weltweit für den Boom der erneuerbaren Energien verantwortlichen System der Abnahmepflicht zu fixen Tarifen. „Langfristig stabile Rahmenbedingungen sind für den Ökostrom-Ausbau unerlässlich. Die Erfahrungen auf internationaler Ebene beweisen, dass Systembrüche sich nachteilig auf den Ökostrom-Ausbau auswirken. Konstante Einspeisesysteme haben sich überall sowohl als effektivste als auch als kostengünstigste Fördersysteme bewährt“, verdeutlicht Amber Sharik, Senior Policy Advisor des europäischen Dachverbands der Ökostromerzeuger EREF.

Abbau des Windkraft-Rückstaus nur zu inakzeptablen Bedingungen

Seit Neubeginn des Windkraftausbaus Anfang 2010 sind Projekte im Ausmaß von rund 800 MW durch alle Bewilligungsverfahren gegangen und bei der ÖMAG beantragt. Lediglich etwa 250 MW davon bekommen einen Fördervertrag. Rund 550 MW befinden sich aktuell in einer sinnlosen Warteposition auf einen Vertrag mit der Ökostromabwicklungsstelle. Der umgehende Abbau dieses Rückstaus wäre von entscheidender Bedeutung.
Der geplante Entwurf ermöglicht jedoch einen Abbau dieses Rückstaus nur zu inakzeptablen Konditionen. Einen Vertrag erhält nur, wer eine Absenkung des Einspeisetarifs von 9,7 Cent pro Kilowattstunde auf 9,3 Cent hinnimmt. Dies ist unzumutbar, haben die Unternehmer doch im Vertrauen auf die bisher geltende Rechtslage und auf den geltenden Tarif viel Zeit und Geld in die Planung und Bewilligung ihrer Projekte investiert. Was auf den ersten Blick unbedeutend aussieht, wirkt sich zentral auf die Projekte aus: ein paar Zehntelcent entscheiden über Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit. „Die Unternehmer sind freilich gezwungen, dieses unmoralische Angebot anzunehmen. Tun sie es nicht, müssten sie sich neu anstellen und wissen nicht, ob sie je zum Zug kommen“, erläutert Moidl.

Verunsicherung bei Planern, Betreibern und Gemeinden

Ein Betroffener dieses Dilemmas ist Herbert Stava, Obmann des Energieparks Bruck/Leitha: „Wir haben sehr gute Projekte in unserer windstarken Region neu in Planung. Bevölkerung und Bürgermeister stehen hinter uns, denn ein Windpark trägt gehörig zur regionalen Wertschöpfung bei. Der Gesetzesvorschlag hat eine große Verunsicherung bei uns Betreibern und bei den Entscheidungsträgern der Region ausgelöst. Wir brauchen ein langfristig stabiles Ökostromgesetz und ambitionierte Ziele bis 2020.“

„Wir werden Minister Mitterlehner im Rahmen der Begutachtung die Fallstricke des Entwurfs aufzeigen und hoffen auf eine deutliche Verbesserung für den Beschluss im Ministerrat. Der Teufel liegt im Detail. Man müsste nur an einigen wesentlichen Schrauben drehen, dann könnte aus dem Gesetz ein voller Erfolg werden“, appelliert Moidl an den Minister.

Aktuell sind in Österreich 625 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 1011 Megawatt am Netz, die Produktion dieser Anlagen beträgt jährlich rund 2.100 Gigawattstunden (2,1 Mrd. Kilowattstunden). Dies entspricht dem Verbrauch von rund 600.000 Haushalten. Durch einen konsequenten Windkraftausbau bis zum Jahr 2015 könnten die österreichischen Nettostromimporte des Jahres 2010 und damit importierter Atomstrom ersetzt werden.

Rückfragehinweis:

Mag. Martin Fliegenschnee-Jaksch
Mobil: +43 (0)660/20 50 755
m.fliegenschnee@igwindkraft.at

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