Fairer Preis für ein knappes Gut
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Seit einigen Monaten läuft in Österreich eine intensive politische Debatte über eine Ökologisierung des Steuersystems – Stichwort ökosoziale Steuerreform. Grundstein einer solchen ist die Bepreisung von CO2 als wichtigstem Treibhausgas. Diese könnte mit einer Steuer oder einem Preis für CO2-Emissionen außerhalb des EU-Emissionshandels umgesetzt werden. Weitere zentrale Elemente sind die Abschaffung von umweltschädlichen Subventionen, die den Verbrauch von fossilen Energien begünstigen, und das Setzen von Anreizen für klimafreundliche Innovationen und Investitionen.
Steuer mit Abfederung
In Sachen ökosoziale Steuerreform geht ein tiefer Riss quer durch die Parteienlandschaft. ÖVP, SPÖ und FPÖ sprechen sich dagegen aus, Neos, Grüne und Liste Jetzt sind dafür. ÖVP und FPÖ sagen, dass sie keine neuen Steuern wollen. Das aber geht an der Sache vorbei, da es nicht vorrangig um neue zusätzliche Belastungen geht, sondern um eine aufkommensneutrale Umgestaltung mit Lenkungseffekten zur CO2-Vermeidung. Die SPÖ wiederum will vermeiden, dass Pendler und Geringverdiener stärker belastet werden, was aber durch eine wirksame soziale Abfederung – etwa durch die Rückverteilung über einen Klima-Bonus, der an alle Haushalte pro Kopf ausbezahlt wird – ganz einfach machbar wäre. Genau das schlagen Neos, Grüne und Liste Jetzt in unterschiedlicher Form vor, begleitet von der Förderung des öffentlichen Verkehrs und der Senkung von Abgaben auf den Faktor Arbeit.
Internationaler Trend
Die Gegner einer CO2-Bepreisung führen oft ins Treffen, dass Österreich keinen nationalen Alleingang machen sollte – gerade so, als ob Österreich damit ein klimapolitischer Einzelgänger wäre. Dem ist natürlich nicht so. Von den EU-28 haben bereits 12 Staaten zusätzlich zum EU-Emissionshandel CO2-Preise eingeführt, ebenso Norwegen und die Schweiz. Österreich wäre also kein Vorreiter, sondern würde lediglich einem internationalen Trend folgen.
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Als Erfolgsmodell gilt Schweden, das bereits 1991 eine CO2-Steuer eingeführt hat, die bei 114 Euro pro Tonne liegt. Auch dort wurde ursprünglich die Steuerbelastung nicht angehoben, vielmehr wurden bestehende Energiesteuern auf CO2-Steuern umgestellt und dann nach und nach erhöht. Diese Umschichtung bei der Steuerlast genießt heute eine hohe Akzeptanz in Schweden. Die CO2-Emissionen der schwedischen Haushalte konnten dadurch um 85 % gesenkt werden. Der Anteil der erneuerbaren Energien ist seit 2004 von 38,7 % auf 54,5 % gestiegen, insgesamt sind die CO2-Emissionen um 8 % gesunken – bei einem Wirtschaftswachstum von 31 %. Ein anderes System hat etwa Großbritannien gewählt, das 2013 im Rahmen des EU-Emissionshandels einen CO2-Mindestpreis von 21 Euro pro Tonne festgesetzt hat. Die Niederlande wollen bis 2020 einen ansteigenden CO2-Mindestpreis im Stromsektor einführen. Irland plant, seine bestehende CO2-Steuer in den nächsten Jahren erheblich anzuheben.
Aus Erfahrungen lernen
Als Negativbeispiel wird oft Frankreich angeführt. Dort gibt es seit 2014 eine jährlich ansteigende CO2-Steuer auf fossile Kraftstoffe. Als diese 2018 schließlich auf 30 Euro pro Tonne geklettert war, kam es zu den bekannten Gelbwesten-Protesten, weil Menschen mit niedrigem Einkommen besonders davon betroffen waren. Doch die Erkenntnis daraus ist eben, dass unbedingt ein sozialverträglicher Ausgleich geschaffen werden muss, den Frankreich verabsäumt hat.
Auch in Deutschland werden die Möglichkeiten für eine faire und gerechte CO2-Bepreisung momentan heftig diskutiert: etwa als CO₂-Steuer auf fossile Energieträger wie Benzin und Heizöl oder die Einführung eines Mindestpreises für Emissions-Zertifikate. Das könnte auch Auswirkungen auf den österreichischen Markt haben, sagt IGW-Chef Stefan Moidl: „Österreich könnte im gemeinsamen Strommarkt mit Deutschland und Frankreich einen CO2-Mindestpreis für die Stromerzeugung einführen. Das wäre für Österreich also keineswegs ein Alleingang, sondern eine konsequente nationale Ergänzung zum Emissionshandel.
Unabhängige Wissenschaft
Politisch unabhängige und daher sehr ernst zu nehmende argumentative Unterstützung erhält die Forderung nach einer ökosozialen Steuerreform von der Wissenschaft. Anfang September präsentierte das Climate Change Center Austria, das Netzwerk der Klimaforschung in Österreich, seinen Referenzplan für einen Nationalen Energie- und Klimaplan, der im Gegensatz zum offiziellen NEKP der Regierung mit den Pariser Klimazielen in Einklang steht. Über 70 ExpertInnen österreichischer Universitäten und Forschungseinrichtungen haben an dem Dokument mitgearbeitet. In diesem Referenzplan wird ebenfalls als vorrangige Rahmenmaßnahme eine klimagerechte Steuerreform mit Kostenwahrheit genannt (CO2-Preis, Abbau fossiler Subventionen etc.), die zugleich Entlastung für Menschen mit niedrigem Einkommen und für Nebenkosten auf Arbeit sicherstellt. Die WissenschaftlerInnen, die großteils auch bei den Scientists for Future engagiert sind, appellieren an die Politik, die von ihnen aufgezeigten möglichen Klimaschutzpfade durch konkrete politische Maßnahmen umzusetzen – und zwar lieber heute als morgen.
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