„Klimaneutralität bedeutet auch Veränderungen“
Herr Quaschning, was braucht es für eine klimaneutrale Welt?Â
Volker Quaschning: Wenn wir unseren Beitrag dazu leisten wollen, die Folgen der Klimakrise noch beherrschbar zu halten, müssen wir in Deutschland und Österreich bis spätestens 2040 komplett klimaneutral werden. Das bedeutet, bis dahin müssen wir eine Energieversorgung ausschließlich auf Basis erneuerbarer Energien ganz ohne Erdöl, Erdgas und Kohle aufbauen.Â
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Ist die Energiewende alternativlos?
Alternativen gibt es natürlich immer. In diesem Fall wären sie Deichbau, die Aufgabe großer Landstriche, die Errichtung gigantischer Flüchtlingslager für ein bislang unvorstellbares Maß an Klimaflüchtlingen und früher oder später auch Nahrungsmittelrationierungen.
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Wie sehen Sie die Rolle der Windkraft im Erneuerbaren-Mix?
Die Photovoltaik kann in vielen Regionen der Welt den wesentlichen Anteil der künftigen Energieversorgung decken. In Mitteleuropa und anderen klimatisch vergleichbaren Regionen haben wir aber einen ausgeprägten Winter. Wollen wir im Winterhalbjahr keine Energieknappheit haben oder dieses mit extrem teuren Speicherlösungen überbrücken, kommen wir an einem massiven Ausbau der Windkraft hierzulande nicht vorbei. Die Ausweisung von 2% der Landesfläche in Deutschland und Österreich für Windkraftgebiete ist ein guter Kompromiss von Schutz der Anwohnenden, Naturschutz und benötigtem Ausbau für die Energiewende. Dieser Flächenanteil sollte aber unbedingt bereitgestellt und auch genutzt werden.Â
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Was muss man im Erneuerbaren-Ausbau jetzt angehen? Wo liegen die wichtigsten aktuellen Schritte?Â
Die erste Regel muss lauten: Bauen, bauen, bauen. Um die Klimaziele auch nur ansatzweise einhalten zu können, muss der jährliche Zubau vor allem bei der Windkraft erheblich gesteigert werden. Die Photovoltaik hat 2023 schon spürbar zugelegt. Aber auch da muss der jährliche Zubau mindestens noch mal verdoppelt werden. Als nächstes müssen schleunigst die Rahmenbedingen geschaffen werden, große Mengen an Windkraft und Photovoltaik überhaupt ins Netz integrieren zu können – Stichwort: Ausbau der Netze, Speicher und Lastverlagerungen. Das sind die aktuell wichtigsten Themen, die auf dem Tisch liegen.Â
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Auf welchem Weg sehen Sie Deutschland und Österreich? Wo stehen beide Länder im Hinblick auf die Energiewende?Â
In Deutschland sind seit 1990 die Kohlendioxidemissionen stärker zurückgegangen als in Österreich. Österreich hat hingegen traditionell einen viel größeren Anteil der Wasserkraft. Darum ist der Anteil erneuerbarer Energien in Österreich derzeit noch größer als in Deutschland. Beide Länder können mit ihrem jetzigen Energiewendetempo erst deutlich nach 2050 klimaneutral werden. Oder anders ausgedrückt: Beide Länder zielen auf das Szenario Deichbau und viele Klimaflüchtlinge. Wir müssen uns in der Gesellschaft endlich mal klar machen: Klimaneutralität bedeutet auch Veränderungen. Wir können nicht ausreichend schnell klimaneutral werden, wenn wir am Verbrenner-Auto oder der Gasheizung festkleben und jedes Windrad bekämpfen, als würde es die Pest verbreiten. Die populistische Verzögerungs- und Verhinderungspolitik wird uns noch richtig teuer zu stehen kommen.Â
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Wie kann man beim Erneuerbaren-Ausbau Beschleunigung schaffen und Verkompliziertheit hinter sich lassen?Â
Wir müssen daran arbeiten, dass alle politischen Kräfte endlich den Ernst der Klimakrise erkennen und gemeinsam an Lösungen arbeiten, anstatt gegeneinander. Die jüngste Vergangenheit hat aber gezeigt, dass das nicht einfach ist. Vielleicht muss die Klimakrise erst dramatischere Bilder produzieren, damit das gelingt. So traurig es ist: Die Menschen kommen oft erst ins Handeln, wenn sie die Folgen am eignen Leib zu spüren bekommen. Es ist auch enorm wichtig, möglichst viele Menschen an der Energiewende zu beteiligen. Wer eine eigene Solaranlage oder Anteile an einem Windpark hat oder zumindest finanziell von den Erträgen profitiert, unterstützt in der Regel auch eine viel schnellere Energiewende.Â
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Sie investieren sehr viel Zeit und Energie in die Aufklärung der Bevölkerung zum Thema Erneuerbare Energien, Energiewende und Klimakrise. Wie kam es dazu, dass Sie diese Mission für sich entdeckt haben?Â
Die Klimaberichte haben sich schon vor 30 Jahren wie extreme Horrorgeschichten gelesen, nur dass es sich hierbei nie um Fiktion handelte. Als Ingenieur stellt man schnell fest, dass die Lösungen eigentlich auf dem Tisch liegen. Klar, kann man immer noch was optimieren. Aber wegen Widerständen aus der Politik, der Wirtschaft und Teilen der Bevölkerung werden diese nicht ansatzweise im nötigen Tempo umgesetzt. Letztlich leben wir aber alle auf dem gleichen Planeten. Darum bin ich davon überzeugt, dass wir das nötige Tempo hinbekommen können, wenn alle Menschen die Zusammenhänge wirklich verstanden haben. Wer Kinder hat, kann doch nicht einfach nur zusehen, wie wir kollektiv deren Zukunft in Flammen aufgehen lassen.Â
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Es verbreiten sich auch viele Verschwörungstheorien in der Gesellschaft beim Thema Klimakrise und Energiewende – welche hat Sie in der letzten Zeit am meisten zum Schmunzeln gebracht?Â
Wer schmunzeln will, muss derzeit nur auf die bayerische Energiepolitik schauen. Dort verhindert man mit einer 10H-Abstandsregel immer noch den Ausbau der Windkraft, hat lange Jahre auch Leitungen blockiert, will aber schon im Jahr 2040 klimaneutral werden. Der Photovoltaikzubau läuft dort zwar dank ausreichend Sonne recht gut. Wie man allerdings im Winter die Energieversorgung sicherstellen möchte, bleibt das Geheimnis der Landesregierung. Einmal werden Bäume umarmt, der schnelle Ausstieg aus der Kernenergie gefordert, um einige Jahre später genau das Gegenteil zu wollen. Dann beschließt man mit viel Tamtam eine Wasserstoffstrategie und propagiert das Wasserstoffauto, ohne eine Idee zu haben, wo der viele Strom für die Produktion von grünem Wasserstoff herkommen soll. Wenn ich eine Comedyserie zur Energiewende schreiben würde, würde diese in Bayern spielen.Â
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Wie leben und erleben Sie das Thema erneuerbare Energie und Windkraft auch privat?Â
Meine Strom- und Wärmeversorgung ist schon lange klimaneutral. Ich fahre viel Bahn, auch Elektroauto und fliege nicht mehr. Das umzusetzen ist natürlich ein Prozess. Aber jeder Schritt dabei erfüllt einen mit einer enormen Befriedigung. Und ich freue mich über jede Solar- und Windkraftanlage, die neu entsteht. Letztes Jahr wurde in Deutschland auf 4% aller Ein- und Zweifamilienhäusern eine Photovoltaikanlage gebaut. Das ist doch etwas! Und trotz aller Widerstände sind auch viele neue Windräder entstanden. Wenn man genau hinschaut, bewegt sich momentan sehr viel. Ich bin darum fest davon überzeugt, dass wir in wenigen Jahren ein ganz anderes Tempo beim Ausbau sehen werden und damit die Zukunftschancen unserer Kinder bewahren können.Â
Volker Quaschning: Wenn wir unseren Beitrag dazu leisten wollen, die Folgen der Klimakrise noch beherrschbar zu halten, müssen wir in Deutschland und Österreich bis spätestens 2040 komplett klimaneutral werden. Das bedeutet, bis dahin müssen wir eine Energieversorgung ausschließlich auf Basis erneuerbarer Energien ganz ohne Erdöl, Erdgas und Kohle aufbauen.Â
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Ist die Energiewende alternativlos?
Alternativen gibt es natürlich immer. In diesem Fall wären sie Deichbau, die Aufgabe großer Landstriche, die Errichtung gigantischer Flüchtlingslager für ein bislang unvorstellbares Maß an Klimaflüchtlingen und früher oder später auch Nahrungsmittelrationierungen.
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Wie sehen Sie die Rolle der Windkraft im Erneuerbaren-Mix?
Die Photovoltaik kann in vielen Regionen der Welt den wesentlichen Anteil der künftigen Energieversorgung decken. In Mitteleuropa und anderen klimatisch vergleichbaren Regionen haben wir aber einen ausgeprägten Winter. Wollen wir im Winterhalbjahr keine Energieknappheit haben oder dieses mit extrem teuren Speicherlösungen überbrücken, kommen wir an einem massiven Ausbau der Windkraft hierzulande nicht vorbei. Die Ausweisung von 2% der Landesfläche in Deutschland und Österreich für Windkraftgebiete ist ein guter Kompromiss von Schutz der Anwohnenden, Naturschutz und benötigtem Ausbau für die Energiewende. Dieser Flächenanteil sollte aber unbedingt bereitgestellt und auch genutzt werden.Â
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Was muss man im Erneuerbaren-Ausbau jetzt angehen? Wo liegen die wichtigsten aktuellen Schritte?Â
Die erste Regel muss lauten: Bauen, bauen, bauen. Um die Klimaziele auch nur ansatzweise einhalten zu können, muss der jährliche Zubau vor allem bei der Windkraft erheblich gesteigert werden. Die Photovoltaik hat 2023 schon spürbar zugelegt. Aber auch da muss der jährliche Zubau mindestens noch mal verdoppelt werden. Als nächstes müssen schleunigst die Rahmenbedingen geschaffen werden, große Mengen an Windkraft und Photovoltaik überhaupt ins Netz integrieren zu können – Stichwort: Ausbau der Netze, Speicher und Lastverlagerungen. Das sind die aktuell wichtigsten Themen, die auf dem Tisch liegen.Â
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Auf welchem Weg sehen Sie Deutschland und Österreich? Wo stehen beide Länder im Hinblick auf die Energiewende?Â
In Deutschland sind seit 1990 die Kohlendioxidemissionen stärker zurückgegangen als in Österreich. Österreich hat hingegen traditionell einen viel größeren Anteil der Wasserkraft. Darum ist der Anteil erneuerbarer Energien in Österreich derzeit noch größer als in Deutschland. Beide Länder können mit ihrem jetzigen Energiewendetempo erst deutlich nach 2050 klimaneutral werden. Oder anders ausgedrückt: Beide Länder zielen auf das Szenario Deichbau und viele Klimaflüchtlinge. Wir müssen uns in der Gesellschaft endlich mal klar machen: Klimaneutralität bedeutet auch Veränderungen. Wir können nicht ausreichend schnell klimaneutral werden, wenn wir am Verbrenner-Auto oder der Gasheizung festkleben und jedes Windrad bekämpfen, als würde es die Pest verbreiten. Die populistische Verzögerungs- und Verhinderungspolitik wird uns noch richtig teuer zu stehen kommen.Â
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Wie kann man beim Erneuerbaren-Ausbau Beschleunigung schaffen und Verkompliziertheit hinter sich lassen?Â
Wir müssen daran arbeiten, dass alle politischen Kräfte endlich den Ernst der Klimakrise erkennen und gemeinsam an Lösungen arbeiten, anstatt gegeneinander. Die jüngste Vergangenheit hat aber gezeigt, dass das nicht einfach ist. Vielleicht muss die Klimakrise erst dramatischere Bilder produzieren, damit das gelingt. So traurig es ist: Die Menschen kommen oft erst ins Handeln, wenn sie die Folgen am eignen Leib zu spüren bekommen. Es ist auch enorm wichtig, möglichst viele Menschen an der Energiewende zu beteiligen. Wer eine eigene Solaranlage oder Anteile an einem Windpark hat oder zumindest finanziell von den Erträgen profitiert, unterstützt in der Regel auch eine viel schnellere Energiewende.Â
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Sie investieren sehr viel Zeit und Energie in die Aufklärung der Bevölkerung zum Thema Erneuerbare Energien, Energiewende und Klimakrise. Wie kam es dazu, dass Sie diese Mission für sich entdeckt haben?Â
Die Klimaberichte haben sich schon vor 30 Jahren wie extreme Horrorgeschichten gelesen, nur dass es sich hierbei nie um Fiktion handelte. Als Ingenieur stellt man schnell fest, dass die Lösungen eigentlich auf dem Tisch liegen. Klar, kann man immer noch was optimieren. Aber wegen Widerständen aus der Politik, der Wirtschaft und Teilen der Bevölkerung werden diese nicht ansatzweise im nötigen Tempo umgesetzt. Letztlich leben wir aber alle auf dem gleichen Planeten. Darum bin ich davon überzeugt, dass wir das nötige Tempo hinbekommen können, wenn alle Menschen die Zusammenhänge wirklich verstanden haben. Wer Kinder hat, kann doch nicht einfach nur zusehen, wie wir kollektiv deren Zukunft in Flammen aufgehen lassen.Â
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Es verbreiten sich auch viele Verschwörungstheorien in der Gesellschaft beim Thema Klimakrise und Energiewende – welche hat Sie in der letzten Zeit am meisten zum Schmunzeln gebracht?Â
Wer schmunzeln will, muss derzeit nur auf die bayerische Energiepolitik schauen. Dort verhindert man mit einer 10H-Abstandsregel immer noch den Ausbau der Windkraft, hat lange Jahre auch Leitungen blockiert, will aber schon im Jahr 2040 klimaneutral werden. Der Photovoltaikzubau läuft dort zwar dank ausreichend Sonne recht gut. Wie man allerdings im Winter die Energieversorgung sicherstellen möchte, bleibt das Geheimnis der Landesregierung. Einmal werden Bäume umarmt, der schnelle Ausstieg aus der Kernenergie gefordert, um einige Jahre später genau das Gegenteil zu wollen. Dann beschließt man mit viel Tamtam eine Wasserstoffstrategie und propagiert das Wasserstoffauto, ohne eine Idee zu haben, wo der viele Strom für die Produktion von grünem Wasserstoff herkommen soll. Wenn ich eine Comedyserie zur Energiewende schreiben würde, würde diese in Bayern spielen.Â
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Wie leben und erleben Sie das Thema erneuerbare Energie und Windkraft auch privat?Â
Meine Strom- und Wärmeversorgung ist schon lange klimaneutral. Ich fahre viel Bahn, auch Elektroauto und fliege nicht mehr. Das umzusetzen ist natürlich ein Prozess. Aber jeder Schritt dabei erfüllt einen mit einer enormen Befriedigung. Und ich freue mich über jede Solar- und Windkraftanlage, die neu entsteht. Letztes Jahr wurde in Deutschland auf 4% aller Ein- und Zweifamilienhäusern eine Photovoltaikanlage gebaut. Das ist doch etwas! Und trotz aller Widerstände sind auch viele neue Windräder entstanden. Wenn man genau hinschaut, bewegt sich momentan sehr viel. Ich bin darum fest davon überzeugt, dass wir in wenigen Jahren ein ganz anderes Tempo beim Ausbau sehen werden und damit die Zukunftschancen unserer Kinder bewahren können.Â
Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin informiert in seinem unabhängigen Internetangebot über Themen zur nachhaltigen Energieversorgung, Energiewende und Umsetzung von wirksamen Maßnahmen gegen die Klimakrise.
Beim AWES 2024 ist Volker Quaschning als Keynote-Speaker geladen.
Thema seiner Keynote: "Warum wir eine echte Energierevolution brauchen, um die Klimakrise zu stoppen"
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Interview von Alexander Kohl
Thema seiner Keynote: "Warum wir eine echte Energierevolution brauchen, um die Klimakrise zu stoppen"
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