„Werden unsere klimatische Heimat verlieren“
Der diesjährige AWES-Keynotespeaker Hans Joachim Schellnhuber, Klimaforscher und IIASA-Generaldirektor, spricht im Interview darüber, worauf wir uns in Österreich klimatisch einstellen müssen und warum der „Siegeszug der Erneuerbaren“ eine Voraussetzung für die langfristige Restaurierung des Weltklimas darstellt.Â
Herr Schellnhuber, 30 Grad im März, ein Hitzerekord nach dem anderen … ein Vor-Frühling, der sämtliche Temperaturrekorde geschlagen hat. Wie haben Sie diese letzten Wochen als Klima-Wissenschaftler wahrgenommen, bzw. wie analysieren Sie diese?Â
Hans Joachim Schellnhuber: Stellen Sie sich vor, Sie sind Pilot eines Passagierflugzeugs auf dem Weg von Europa nach Amerika, mitten über dem Atlantik, in einer Flughöhe von 9.000 Metern zeigen die Instrumente plötzlich „Feuer an Bord“ an, einen Kabinendruckabfall und, dass der Treibstoff zur Neige geht. So in etwa waren die letzten Monate als Klimawissenschaftler. Die sprunghafte Abweichung vom durchschnittlichen Temperaturtrend der letzten 12 Monate ist unter anderem auf das El Niño-Ereignis im Pazifik zurückzuführen, das nun ausklingt. Möglicherweise werden wir deshalb in den kommenden Jahren eine leichte Abkühlung erleben. Dennoch zeigt der Trend der Erderwärmung steil nach oben. Dass wir das im Pariser Abkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel verfehlen werden, ist nun leider so gut wie sicher.Â
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Wie lautet Ihr Szenario für die Klimazukunft Österreichs – müssen wir uns auf noch höhere Temperaturen einstellen und wie werden unsere Winter ausfallen?
Wir werden gewissermaßen unsere klimatische Heimat verlieren. Das heißt, dass Naturerfahrungen wie schneereiche Winter oder die Marillenblüte im April keine Gültigkeit mehr haben. Deutlich höhere Temperaturen als noch vor 50 Jahren und unregelmäßige bzw. extreme Niederschläge werden zur neuen Realität werden und bedeutende Herausforderungen besonders für die Land- und Forstwirtschaft mit sich bringen.Â
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Ein Phänomen, vor dem Sie oftmals warnen, ist die Abschwächung bzw. der Kollaps des Golfstroms. Wie nahe stehen wir vor diesem möglichen Szenario und was wären die Folgen für Österreich?Â
Der Golfstrom bringt warme Wassermassen aus dem Golf von Mexiko an die Küsten von Europa und sorgt damit hierzulande für ein mildes Klima und reiche Niederschläge. Erst kürzlich prognostizierten Kolleg:innen aus Dänemark, dass durch den Klimawandel grundlegende Störungen dieses Systems noch in diesem Jahrhundert auftreten könnten. Die Auswirkungen wären gravierend. Niedrigere Temperaturen und häufigere extreme Wetterereignisse wie Stürme, Ãœberschwemmungen und Dürren in Europa wären nur der Anfang.Â
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Sehen Sie noch Aktionsmöglichkeiten für die Menschheit die Klima-Entwicklung umzukehren? Oder müssen wir uns an die neuen Bedingungen anpassen?Â
Wie gesagt, werden wir leider sehr wahrscheinlich die 1,5-Grad-Linie durchbrechen und auch eine Erderwärmung von zwei Grad Celsius nicht verhindern können. Diesen „Ausflug“ in ein deutlich wärmeres Klima, sollten wir aber so kurz wie möglich halten. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Erderwärmung umkehren können – ganz ohne Geoengineering. Durch das geschickte Zusammenspiel nachhaltiger Forstwirtschaft und einer bio-basierten Bauwirtschaft lassen sich große Mengen atmosphärischen CO2 binden und langfristig in Form von Holz und Bambus als Baumaterial in Häusern und Infrastruktur speichern. Das Prinzip der CO2 Speicherung hat bereits schon einmal funktioniert und zu einer Abkühlung des Erdklimas geführt. Vor etwa 300 Mio. Jahren.Â
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Welche Rolle können dabei auch die Erneuerbaren Energie und die Windkraft spielen?
Die Erneuerbaren Energien, und ganz besonders deren Ausbau, tragen dazu einen ganz wesentlichen Teil bei. Sie ermöglichen und beschleunigen die Dekarbonisierung und führen dazu, dass wir so schnell wie möglich nicht nur klimaneutral werden, sondern sogar klimapositiv. Der Siegeszug der Erneuerbaren ist somit die unverzichtbare Voraussetzung für die langfristige Restaurierung des Weltklimas!Â
Herr Schellnhuber, 30 Grad im März, ein Hitzerekord nach dem anderen … ein Vor-Frühling, der sämtliche Temperaturrekorde geschlagen hat. Wie haben Sie diese letzten Wochen als Klima-Wissenschaftler wahrgenommen, bzw. wie analysieren Sie diese?Â
Hans Joachim Schellnhuber: Stellen Sie sich vor, Sie sind Pilot eines Passagierflugzeugs auf dem Weg von Europa nach Amerika, mitten über dem Atlantik, in einer Flughöhe von 9.000 Metern zeigen die Instrumente plötzlich „Feuer an Bord“ an, einen Kabinendruckabfall und, dass der Treibstoff zur Neige geht. So in etwa waren die letzten Monate als Klimawissenschaftler. Die sprunghafte Abweichung vom durchschnittlichen Temperaturtrend der letzten 12 Monate ist unter anderem auf das El Niño-Ereignis im Pazifik zurückzuführen, das nun ausklingt. Möglicherweise werden wir deshalb in den kommenden Jahren eine leichte Abkühlung erleben. Dennoch zeigt der Trend der Erderwärmung steil nach oben. Dass wir das im Pariser Abkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel verfehlen werden, ist nun leider so gut wie sicher.Â
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Wie lautet Ihr Szenario für die Klimazukunft Österreichs – müssen wir uns auf noch höhere Temperaturen einstellen und wie werden unsere Winter ausfallen?
Wir werden gewissermaßen unsere klimatische Heimat verlieren. Das heißt, dass Naturerfahrungen wie schneereiche Winter oder die Marillenblüte im April keine Gültigkeit mehr haben. Deutlich höhere Temperaturen als noch vor 50 Jahren und unregelmäßige bzw. extreme Niederschläge werden zur neuen Realität werden und bedeutende Herausforderungen besonders für die Land- und Forstwirtschaft mit sich bringen.Â
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Ein Phänomen, vor dem Sie oftmals warnen, ist die Abschwächung bzw. der Kollaps des Golfstroms. Wie nahe stehen wir vor diesem möglichen Szenario und was wären die Folgen für Österreich?Â
Der Golfstrom bringt warme Wassermassen aus dem Golf von Mexiko an die Küsten von Europa und sorgt damit hierzulande für ein mildes Klima und reiche Niederschläge. Erst kürzlich prognostizierten Kolleg:innen aus Dänemark, dass durch den Klimawandel grundlegende Störungen dieses Systems noch in diesem Jahrhundert auftreten könnten. Die Auswirkungen wären gravierend. Niedrigere Temperaturen und häufigere extreme Wetterereignisse wie Stürme, Ãœberschwemmungen und Dürren in Europa wären nur der Anfang.Â
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Sehen Sie noch Aktionsmöglichkeiten für die Menschheit die Klima-Entwicklung umzukehren? Oder müssen wir uns an die neuen Bedingungen anpassen?Â
Wie gesagt, werden wir leider sehr wahrscheinlich die 1,5-Grad-Linie durchbrechen und auch eine Erderwärmung von zwei Grad Celsius nicht verhindern können. Diesen „Ausflug“ in ein deutlich wärmeres Klima, sollten wir aber so kurz wie möglich halten. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Erderwärmung umkehren können – ganz ohne Geoengineering. Durch das geschickte Zusammenspiel nachhaltiger Forstwirtschaft und einer bio-basierten Bauwirtschaft lassen sich große Mengen atmosphärischen CO2 binden und langfristig in Form von Holz und Bambus als Baumaterial in Häusern und Infrastruktur speichern. Das Prinzip der CO2 Speicherung hat bereits schon einmal funktioniert und zu einer Abkühlung des Erdklimas geführt. Vor etwa 300 Mio. Jahren.Â
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Welche Rolle können dabei auch die Erneuerbaren Energie und die Windkraft spielen?
Die Erneuerbaren Energien, und ganz besonders deren Ausbau, tragen dazu einen ganz wesentlichen Teil bei. Sie ermöglichen und beschleunigen die Dekarbonisierung und führen dazu, dass wir so schnell wie möglich nicht nur klimaneutral werden, sondern sogar klimapositiv. Der Siegeszug der Erneuerbaren ist somit die unverzichtbare Voraussetzung für die langfristige Restaurierung des Weltklimas!Â
Hans Joachim Schellnhuber ist Generaldirektor des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und langjähriges Mitglied des Weltklimarats IPCC.
Beim AWES 2024 ist Hans Joachim Schellnhuber als Keynote-Speaker geladen.Â
Thema seiner Keynote: "Die Große Transformation: Energie und Materie"
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Interview von Alexander Kohl
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